Der Tod hat ein Gesicht by Eduard Breimann

Der Tod hat ein Gesicht by Eduard Breimann

Autor:Eduard Breimann
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: SS, Krieg, Juden, Warschau, Getto, Treblinka, Verurteilt, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe, Betrug, Hausmann, Linkshänder, Prostituierte, Nutte, Kunsthändler, Kunstgalerie, Zwillinge, Schach, Party, HIV, Penner
Herausgeber: Universal Frame GmbH
veröffentlicht: 2013-10-10T00:00:00+00:00


Nur ein Kuss

Er schlich auf das Gebäude zu, das sich protzig in den nachtschwarzen Himmel schob. Unter tief herab hängenden Fichtenästen, unmittelbar vor dem kurz geschnittenen Gras, das den Springbrunnen umgab, blieb er stehen. Leicht bewegte Zweige streiften sein Gesicht; er genoss den Duft von Harz und Frische, fühlte sich körperlos, unsichtbar.

„Unsichtbar! Das wär’s! Würde wohl alles leichter machen – für mich und alle anderen“, dachte er und spürte einen Stich im Hinterkopf.

Der wuchtige Bau hatte keinen Anfang und endete irgendwo in der Dunkelheit. Aus Hunderten leuchtender Fenster – so schien es ihm – beobachteten Unsichtbare die Ankommenden.

Das weit geöffnete Portal wirkte wie das Maul eines Monstrums; er fühlte die Gier des Ungeheuers, das die Eintretenden verschlingen und als ungenießbar wieder ausspucken würde. Es warf sein weißes Feuer auf die Treppe, zeichnete scharfkantige Schatten auf die Stufen.

Gestalten tauchten für Sekunden auf, huschten durch das Licht und lösten sich im Maul des Kolosses auf. Wie schlafend, ruhten schwarze Limousinen auf dem Ascheplatz vor der Treppe, ihre Hauben zentimetergenau ausgerichtet; in den glänzenden Scheiben spiegelten sich die Fenster.

„Lasse ich mich fressen oder nicht?“, dachte er sarkastisch und zählte die Knöpfe an seinem Anzug. „Ja, nein, ja.“ Er seufzte und ging auf das Haus zu, das er noch nie gemocht hatte; er hasste seine Größe und die protzige Freitreppe.

Noch versteckte ihn die Dunkelheit des Parks vor den Menschen, die oben im Licht standen; nur seine Beine wurden von den wegsäumenden Lampen beleuchtet.

Vor der ersten Stufe zögerte er erneut, blieb stehen und blickte hoch in das Licht. Stimmengewirr und Musik lockten die Ankommenden, versprachen Entspannung, Heiterkeit und Belustigung.

„Afrika hat dich versaut; du kannst nicht mehr normal denken. Reiß dich zusammen Paul, du bist nicht in Gefahr – du bist bei Freunden“, sagte er halblaut, nach kurzem, sicherndem Blick. „Frisst du auch Aas?“, fragte er die Bestie und dachte an sein Spiegelbild.

Er war erst seit einer Woche wieder in der Stadt. Der Anzug stammte noch aus der Zeit vor seinem Afrikaaufenthalt, war längst aus der Mode und viel zu weit; Jackett und Hose schlotterten an seiner hageren Gestalt, flatterten im leichten Abendwind.

„Sie haben keinen Arsch in der Hose – mit Verlaub“, hatte die Wirtin gesagt und ihn ungeniert, abschätzend gemustert.

Dicht unter seinem linken Auge zuckte ein Nerv und trotz der Bräune schien eine graue Blässe durch die Haut. Er fühlte sich schmutzig und roch ständig seinen säuerlichen Schweiß. Er wusch sich täglich mehrmals, aber er kam sofort wieder – es machte ihn verrückt.

Hinter ihm brummte der Motor eines Autos; er hob den Kopf mit den tief in ihren Höhlen liegenden Augen und den stark hervorstechenden Backenknochen und beobachtete die Ankommenden.

Er wollte ihnen nicht hier draußen begegnen, sich nicht vorstellen müssen. Langsam stieg er die Stufen hoch und blieb im Eingang stehen; das Licht des Kristallleuchters stach in seine überempfindlichen Augen; er konnte die Menschen im Foyer nicht erkennen und blinzelte ungeduldig.

„Paul, Liebling! Die Sonne geht auf. Toll, dass du gekommen bist. Alles überstanden? Siehst gut aus. Schmeiß dich rein ins Gewühl – und lass dir gleich was zu trinken geben.



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